Familie
Der Volksmund sagt: "Familie hat man, Freunde kann man sich aussuchen!" Das ist auch richtig, aber wie man damit klar kommt, mit den Familienbanden, hängt wohl von sehr vielen persönlichen Gegebenheiten ab. Oft sind die Bande doch nicht so eng, wie man hin und wieder denkt, Vor allem, wenn es sich um weitläufigere Familie handelt. Auch entwickeln sich Lebenseinstellungen so unterschiedlich, dass es einfach nicht mehr passt.
Auf dieser Seite stelle ich meine Familie vor. Menschen, die mir etwas bedeutet haben, die meine Kindheit und Jugend begleitet und Einfluss auf meine Entwicklung hatten. Die meisten davon haben die irdische Welt lange verlassen. Aber so ist das Leben, die einen kommen, andere gehen. Irgendwann läuft bei uns allen die Lebensuhr ab. Ich unterscheide hier zwischen meiner Familie und der Schwiegerfamilie. Zwei Gruppen, wie sie nicht unterschiedlicher hätten sein können. Meine Familie war eher konservativ, während die Schwiegerfamilie im Gegenteil locker und aufgeschlossen war. Aber bei allem Unterschied, beide Familien waren mit Menschen besetzt, die für einander da waren, die geholfen haben, auf die man sich verlassen konnte. Ich beginne mit meiner Familie, die überschaubar war und noch heute ist.
Bitte habt Verständnis dafür, dass ich bei noch lebenden Personen keine Nachnamen nenne.
Mein Großvater

Otto Ernst Golmert (24.08.1889 - 17.12.1972) wurde in Frankfurt/Oder geboren. Viel ist mir über diese Familie nicht bekannt. Ich weiß, dass Opa mehrere Geschwister hatte, einige davon habe ich noch erleben dürfen. Weiterhin gab es nocht eine Nichte in Frankfurt/O. , die ich schon als Kind kannte. Wie und warum Opa nach Berlin kam, ist mir nicht bekannt. Er war das, was man früher einen hochherrschaftlichen Chauffeur nannte. Er fuhr für die englische Botschaft. Davor war er auch für die chinesische Botschaft tätig. Dieser Tatsache ist es zu verdanken, dass er nie an die Front musste. Während der letzten Kriegstage schlief er sogar in der Botschaft, denn er durfte das Hoheitsgebiet nicht verlassen, sonst hätten Hitlers Häscher ihn kassiert. So aber sorgte er nur dafür, dass die Familie Lebensmittel bekam. Als Kind fand ich es toll, wenn Opa zu Hause mit dem Auto vorfuhr, in Livree mit weißen Handschuhen, das war was. Ein Auto war zu dieser Zeit noch etwas ganz besonderes.
Mein Opa war eher ein ruhiger Zeitgenosse. Er redete nicht viel, aber wenn es erforderlich war, gab es klare Worte. Er verbreitete eine stille Dominanz, die Rollen waren klar verteilt, wie es zu der damaligen Zeit üblich war. Ich habe nicht erlebt, dass Opa im Haushalt geholfen hätte. Er bezog später eine kleine Rente. Mal abgesehen von Familienbesuchen und kleinen Ausflügen liebte Opa seinen Sessel, seine Zeitung und seine Zigarre. Er war stets gepflegt und vermittellte einen würdevollen Eindruck. Für mich war der Opa ein liebevoller Vaterersatz. Auch wenn die Erzihung für heutige Verhältnisse engstirnig war, Opa hätte wohl alles für mich getan. Als Opa älter wurde, erlebte ich ihn häufig krank. Er hatte ein Nierenleiden, hatte oft Schmerzen und war dann im Krankenhaus. Als ich schon nicht mehr zu Hause lebte, fing Opa sein Geist an sich zu verwirren. Heute würde man vermutlich von Demenz sprechen. So gab es schon ab und an gefährliche Situationen. Einmal erwischte Oma ihn mit einem Streichholz am Fenster. Er wollte nun einmal schauen, ob die Gardine brennt, so sein Kommentar. Zu dieser Zeit, Anfang der siebziger Jahre, war klar, dass die beiden alten Leute nicht mehr allein zu Hause bleiben konnten. So waren sie meist bei ihrer mittleren Tochter in Gatow, die dort ein Haus hatte. Ihre Wohnung behielten sie aber noch. Opa war 83 jahre alt, als er im alten Krankenhaus in Neuköllner Orteil Britz für immer die Augen schloss. Seine letzte Ruhestätte fand er auf Dem Friedhof "In den Kisseln" in Spandau.
Meine Großmutter

Luise Golmert, geb. Müller (08.05.1891 - 15.06.1978) wurde in Oberschlesien (heute Polen) geboren. Auch sie hatte mehrere Geschwister, von denen ich mich aber nur an zwei Schwestern erinnern kann. Wie Oma genau nach Berlin kam, ist mir nicht bekannt, Sie hat einmal erzählt, dass sie in Berlin als junges Mädchen in Stellung war. Aber das war ja zu damaliger Zeit nicht unüblich. Meine Oma war eine starke Frau, auch wenn man ihr das nicht ansah. Sie war ihr Leben lang Hausfrau und behütete mich wie eine Glucke. Aber man sah Oma das nie an. Stets gepflegt, mit friesierten Haaren und Absatzschuhen verließ sie das Haus. Eine Schürze trug sie nur zur Hausarbeit.Ich kann mich nicht erinnern, dass Oma jemals wirklich krank war. Mal abgesehen von Magenverstimmungen, die mit Milch auskuriert wurden, war sie immer fit, bis ins hohe Alter. Nachdem Opa tot war, wurde die Wohnung in Britz aufgegeben und sie zog endgültig zu ihrer Tochter in Gatow. Früher mit Opa gab es jeden Tag zum Abendessen ein Gläschen Bier und später trank sie am Abend ein Gläschen Sekt. Das auch noch an dem Abend, als sie die Augen für immer schloss. Im Alter von 87 Jahren kam sie wegen einer Herzschwäche ins Krankenhaus und schlief dort in der gleichen Nacht friedlich ein. Ich war am Abend noch bei ihr. Ihre letzte Ruhestätte fand sie neben ihrem Mann. Die Oma war, neben dem Opa, meine wichtigste Bezugsperson.
Ein langes Eheleben

Am 30. August 1962 konnten meine Großeltern ihre Goldene Hochzeit feiern. Es war ein ruhiges Fest, wie eigentlich alle Feierlichkeiten bei uns zu Hause. Das Foto zeigt Oma und Opa zu Ihrer Goldenen Hochzeit. Mit auf dem Foto: von rechts: Tante Erna, ich und meine Cousine Christa. Auch ihre Diamantene Hochzeit (60 Jahre) konnten sie noch erleben. Allerdings wurde da nichts mehr gefeiert. Opa war schon zu krank, um das noch zur Kenntnis zu nehmen.
Wie sich Oma und Opa kennengelernt haben, ist mir nicht bekannt. Am 30. August 1912 haben die zwei in Berlin-Steglitz geheiratet. Sie hatten eine Wohnung in der Steglitzer Steinstraße. Am 05. April 1913 wurde die erste Tochter Charlotte geboren, es folgten am 07. Juli 1914 Tochter Luise und am 15. Oktober 1915 Tochter Erna. Zu dieser Zeit tobte der Erste Weltkrieg. 1919 endete der Krieg und damit die Monarchie. Es begann die Weimarer Republik, die letztlich im Zweiten Weltkrieg mündete. Es begann die schwärtzeste Zeit in Deutschland. Wie diese beiden, mir so nahe stehenden Menschen, diese Zeiten bewältigt haben? Davon ist mir auch wenig bekannt. Ich habe nur erfahren, dass sie zweimal "ausgebomt" sind, uns alles verloren haben. Als ich geboren wurde, wohnten sie schon in Wilmersdorf. Über diese Zeiten wurde zu Hause nur wenig gesprochen. Ich erinnere mich, dass Oma und Opa Carepakete bekamen. Das waren Hilfspakete von den Amerikanern, die Lebensmittel, aber auch Schokolade und Tabak enthielten. Es war für uns Kinder jedes Mal ein Fest, denn wir durften die Pakete öffnen.
Danke, Oma und Opa, dass es Euch gab!

Meine Mutter (die Karrierefrau)

Charlotte Klar, geb Golmert wurde am 05. April 1913 in Berlin als erstes Kind von Otto und Luise Golmert geboren. Mit ihren beiden Schwesten, die jeweils ein Jahr später folgten, wuchs sie als Kind während des Ersten Weltkrieges auf. Als sie während der Weimarer Republik die Schule besuchte, war sie von den drei Schwestern die einzige, die ein Lezeum abslvierte. Das war zu der damaligen Zeit eine höhere Mädchenschule, heute unserem Gymnasium ähnlich. Mit Anfang 20 heiratete sie Fred Klar, ein Mann , der zur SA, also zu Hitlers NSDAP gehörte. Dieser Mann soll, nach Erzählungen meiner Familie, nicht gut zu ihr gewesen sein. Es folgte alsbald die Scheidung. Sie war viel unterwegs, selten zu Hause. Später verdingte sie sich bei den Allierten als Sekretärin. Dort muss sie bei den Englischen Streitkräften auch meinen Vater kennengelernt haben. Thomas Rundle war Soldat in Berlin. Darüber gibt es Aufzeichnungen meiner Mutter, die mir vorliegen. Es gibt über seinen Verbleib unterschiedliche Aussagen zwischen meiner Mutter, den Großeltern und meinen Tanten, die ihn kannten. Jedenfalls soll er, noch bevor meine Mutter von der Schwangerschaft wusste, aus Berlin weggegangen sein, wohin auch immer. Sie selblst stellte ihren Beruf und ihr Weiterkommen immer an erste Stelle. Sie war nach dem Krieg als Sekretärin bei dem Elektronikkonzern TELEFUNKEN (später AEG/TELEFUNKEN) beschäftigz. Nebenbei besuchte sie die Abendschule zur Fortbildung. Gewohnt hat sie im Berliner Bezirk Kreuzberg, in einem Hinterhaus. Ganz unter dem Dach hatte sie bei einem älteren Fräulein ein kleines Zimmer. Ich erinnere mich, mit meinen Großeltern dort gewesen zu sein.
Ich sehe ein kleines dunkles Zimmer vor mir, ein Bett, ein Schrank, ein Tisch und zwei Stühle. In der einen Ecke stand ein Radio auf dem ein gerahmtes Foto stand. Meine Großeltern meinten, darauf wäre mein Vater zu sehen. Ich war damals noch zu klein, um mir darüber Gedanken zu machen. Fragen nach meinem Vater wurden stets beantwortet "das geht dich nichts an". Erst sehr viel später konnte ich mit meiner Mutter darüber sprechen. Sie tat es nicht gerne, aber ich ließ keine Ruhe mehr. Da war ich aber schon etwa 25 Jahr alt. Sie knallte mit die noch vorhandenen Unterlagen auf den Tisch, beantwortete wiederwillig ein paar Fragen, und das war es. Bestätigt wurde mir von meiner Familie jedoch, dass ich meine dunklen Haare, die dunklen Augen und auch das Temprament von ihm habe.
Doch zurück zu meiner Mutter. Zu uns kam sie oft am Sonntag oder an Feiertagen zur Kaffeezeit. Ein bis zwei Stunden, dann war sie wieder weg. Wollte ich als Kind zu ihr auf den Schoß, hieß es: "geh weg, mein Roch knautscht". Ich wusste, es war meine Mutter, aber eine richtige Beziehung hatte ich zu ihr nicht. Als ich etwas älter wurde, bekam ich jede Woche von ihr 5 DM Tascchengeld. Das war in den 50/60ger Jahren viel Geld. Oma und Opa bekamen von ihr wohl für mich 50 DM Unterhalt. Darüber hinaus ging sie mit mir einkaufen, wenn Oma ihr sagte, dass ich Kleidung oder Schuhe brauchte. Das bezog sich aber auf das Norwendige und Paktische. Was ich vielleicht mochte, war dabei nicht ausschlaggebend.

Bei Telefunken, sie war nun Chefsekretärin, hat sie dann einen Mann kennengelernt, Justus Scholz. Mit ihm zog sie nach Tempelhof in eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Durch ihn kam ich in den Genuss meiner ersten Reise. Da war ich etwa sechs Jahre alt. Eine zweite folgte im Jahr darauf, dazu an anderer Stelle mehr. Meine Mutter machte den Führerschein und hatte dann auch ein kleines Auto.
Das Foto zeigt mich mit Justus Scholz, es war mein 13. Geburtstag im Jahr 1959 in Berlin-Britz am Auto meiner Mutter, einem Lloyd 600.
Sie lebte mit diesem Mann nun zwar zusammen, aber die Beziehung, die er gern gehabt hätte, wurde es wohl nie. Ich war öfer dort, auch schon mal zum Mittagessen, aber eine Hausfrau war meine Mutter nicht. Das ich dort über Nacht blieb, wollte sie nicht, am späten Nachmittag fuhr ich wieder nach Hause.

Ein ganz seltenes Foto: meine Mutter mit ihren ersten Enkelkind 1967
Als ich ihr mit 18 Jahren meinen Freund und späteren Mann vorstellte, reagierte sie sehr zurückhaltend. Als wir allein waren, fragte sie mich, was ich denn mit "Dem" wolle. Er war ihr als einfacher Handwerker nicht gut genug. Ich verstand das nun gar nicht. Handwerker ist doch ein ehrbare Beruf! Er ging regelmäßig seiner Arbeit nach und hatte auch sonst keine schwarzen Flecken auf senier Weste. Ich selbst hatte ja auch "nur" einen Handwerksberuf gelernt. Aber das gefiel ihr ja auch nicht. Der Standesdünkel eben. Als ich ihr einmal zu verstehen gab, dass sie mich ja einmal in die Kreise, die ihr genehm waren, hätte einführen können, hatte sie auch eine Ausrede. Aber ich verstand, die Eifersucht auf meine Jugend ließ das nicht zu. So hatte ich mir eben meine eigenen Kreise gesucht. Sie kam auch weder zur Verlobung noch zur Hochzeit.
Als ich meiner Mutter sagte, dass sie bald Großmutter werden würde, war ihr einziger Kommentar: "Sorge dafür, dass das Kind nicht Oma zu mir sagt". Sie war kurz nach der Geburt einmal zu Besuch, aber mehr Zeit als eine Tasse Kaffee dauert, hatte sie nicht. Zu ihren Enkelkindern bekam sie auch nie wirklich eine Verbindung. Woran das lag? Für diese Frau hatte nur Sinn, was "Lernwert" hatte. Alles andere war Zeitverschwendung. Reisen? Freizeitvergnügen? - Ja, Sprachreisen wurden akzeptiert, ein gutes Buch lesen war sinnvolle Freizeitgestaltung, eventuell noch Sport - aber sonst? So wundert es nicht, dass sich meine Kinder bei der Oma nicht wohl fühlten. Ihre kleinen, kindlichen Angelegenheiten, später ihr Spass im Jugendheim oder in der Disco, interessierte sie nicht. Wie war die Schule, was macht die Ausbildung - das waren Themen. Ich erinnere mich an Situationen, wenn wir ihr aus unseren Ferienreisen eine Ansichtskarte schickten. Da kam nicht ein Danke, nein bemängelt wurden als erstes eventuelle Rechtschreibfehler.
Trotz allem bemühte ich mich immer wieder, eine Beziehung zu meiner Mutter aufzubauen. Wollte ich ihr bei irgendetwas behilflich sein, war das schon erledigt, wenn ich zum vereinbarten Termin kam. So ließ ich das irgendwann sein. Als wir ihr, gemeinsam mit meiner Tochter, 1992 ihr erstes Urenkelchen vorstellten, beleidigte sie meine Kinder. Das war es dann. Ich brach den Kontakt ab. Meine Cousine Christa informierte mich am 21. November 1999 über ihr Ableben. Erst zur Beerdigung erfuhr ich, dass sie die letzten Monate im Johannisstift in Spandau gelebt hat. Auf Grund eines Oberschenkelhalsbruchs, saß sie zuletzt im Rollstuhl. Meine Mutter ist 86 Jahre alt geworden. An ihrem Grab habe ich gestanden und gefragt: "WARUM" Eine Antwort werde ich nicht mehr bekommen!
Justus Scholz

Justus Scholz war der Lebensgefährte meiner Mutter. Geburts- und Sterbedatum sind mir nicht mehr bekannt, ich weiß nur noch, dass ich schon junge Frau war, als er zu Grabe getragen wurde. Dieser Tag ist mir so in der Erinnerung geblieben, weil ich da das erste Mal erlebt habe, dass meine Mutter eine emotionale Regung gezeigt hat. Ich selbst habe diesem Mann sehr viel zu verdanken. Er war für mich "Onkel Scholz".
Justus Scholz war Dolmetscher bei TELEFUNKEN. Er sprach sieben Sprachen und war gut situiert. Eine Zeit lang hat er auch probiert, mir die englische Sprache näher zu bringen, was aber nicht wirklich funktioniert hat. Ich habe später oft bereut, da nicht etwas mehr Lernwillen gehabt zu haben.Er lebte mit meiner Mutter in schon genannter Zwei-Zimmer-Wohnung am Tempelhofer Berlinickeplatz. Jeder hatte sein Zimmer. Onkel Scholz wollte sie wohl heiraten und mich dann adoptieren, was meine Mutter zu verhindern wusste. Sie wollte auch beruflich nicht kürzer treten. Vieles hat mir mein Nennonkel einmal erzählt, als ich, schon selbst junge Mutter, einmal ein persönliches Gespräch mit ihm hatte. Ich ging zu ihm, um mich für ein Weihnachtsgeschenk zu bedanken.
Folgendes war geschehen, es war der Tag vor dem Heiligen Abend im Jahr 1970. Wir, das heißt, mein Mann und unsere beiden kleinen Kinder, saßen am Morgen zu Hause und überlegten, wo wir zu den Feiertagen noch etwas zu essen herbekamen. An Geschenke für die Kinder war gar nicht zu denken. Das Portemonaise war leer, das Bankkonto leuchtete schon rot, es war zum verzweifeln. Wir hatten nie viel Geld, aber in diesem Jahr war es ganz schlimm. Plötzlich klingelte es. Vor der Tür stand der Briefträger mit einer Geldüberweisung. Wer, bitte, überweist uns Geld? 600 DM zahlte der gute Mann uns aus. Bei näherem Hinsehen erfuhren wir den Absender. Das Geld kam von meinem Onkel Scholz.
Riesige Freude, die auch der Postbote zu spüren bekam. Dabei viel mir ein Spruch ein: "Wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her".
So gab es an Weihnachten doch noch einen Braten auf dem Tisch und für die Kinder ein paar kleine Geschenke. Der Rest wurde eingeteilt, denn bis zur nächsten Gehaltszahlung dauerte es noch eine Weile.
Anrufen konnte ich meinen Onkel nicht, denn Telefon hatten wir nicht. So nutzte ich die nächste Gelegenheit, mich bei ihm persönlich zu bedanken. Ich tat das zu einer Zeit, zu der ich wusste, dass meine Mutter nicht anwesend sein würde. Als sie später von diesem Gespräch erfuhr, wurde sie richtig ärgerlich. Ich sollte nämlich nicht erfahren, dass alles was sie mir zukommen ließ, in Wirklichkeit von Onkel Scholz stammte. Z. B. die beiden Reisen, meine erste Armbanduhr zur Konfirmation und vieles andere. Ich habe ihn an der Seite meiner Mutter auf seinem letzten Weg auf dem Friedhof "In den Kisseln" in Spandau begleitet. Ich bewahre ihm ein ehrendes Andenken.
Tante Lieschen (die Labile)

Luise Reimelt geb. Golmert (07. 07. 1914 - 22.05.1995) war die zweite Tochter meiner Großeltern und somit die jüngere Schwester meiner Mutter. Für mich war sie "Tante Lieschen". Von ihrer Kinderzeit weiß ich nicht viel. Sie hat die Hauptschule absolviert und den Beruf der Verkäuferin gelernt. Gearbeitet hat sie bei "Hermann Tietz", dem späteren HERTIE. Diesem Umstand war es zu verdanken, dass sie auch in schwerden Zeiten schnell an Lebensmittel und andere Waren kam, und so erheblich zum Wohl der Familie beitragen konnte. Verheiratet war sie mit Karl Reimelt. Als die gemeinsame Tochter Christa 1949 geboren wurde war sie schon 34 Jahre alt. Später hat sie im Berliner Kaufhaus KaDeWe als Substituten gearbeitet, das entprichte einer heutigen Einkäuferin. Etwa im Jahr 1969 wurde sie Witwe. Selbst gesundheitlich schwer angeschlagen klammerte sie sich an ihre Tochter. Als ihr Mann Karl an einer Lungenkrankheit im Krankenhaus starb, lag sie selbst, schwer verletzt durch einen Autounfall, im Kramkenhaus.
Ich habe meine Tante als stets kränkelnde Frau erlebt, die unter der Fuchtel ihres Mannes stand. Nachdem ich im Erwachsenenalter war, hatten wir zunehmend weniger Kontakt, der irgendwann ganz im Sande verlief. Als ich im Mai 1995 die Traueranzeige bekam, hielt ich es nicht für erforderlich zur Beisetzung zu gehen. Wir hatten schon lange keinen Kontakt mehr, es fühlte sich falsch an.
Onkel Karl

Onkel Karl 1962 mit seinem jüngsten Enkelkind von seiner Tochter aus erster Ehe.
Karl Reimelt war der Mann meiner Tante Lieschen. Ich erinnere mich an einen grobschlächtigen Mann, den ich nie mochte. Er war in der Baubranche beschäftigt und neigte gern zu derben Scherzen. Er fuhr Motorrad, besaß damals eine Maschine mit Beiwagen. Das war für mich als Kind schon das einzig Interressante, wenn ich dort einmal mitfahren durfte. Onkel Karl war mit meiner Tante in zweiter Ehe verheiratet, hatte eine, schon erwachsene, Tochter aus erster Ehe. Mit meiner Tante gab es dann meine Cousine Christa.
Die kleine Familie lebte zunächst mit uns zusammen im gleichen Haus Hohenzollerndamm 33a. Als Christa etwa 5 Jahre alt war, im Jahr 1954, zogen die drei nach Gatow (Bezirk Spandau) in ein eigenes Häuschen mit einem großen Garten. Das war zwar schön, aber auch sehr abgelegen. Ohne fahrbaren Untersatz waren die Menschen dort ziemlich verloren. Meine Tante arbeitete zu dieser Zeit im KaDeWe und hatte einen weiten Weg. So ging es bei Wind und Wetter mit dem Motorrad zumindest bis zur nächsten Bushaltestelle. Wenn das nicht möglich war, musste sie etwa eine halbe Stunde durch ein Waldgebiet laufen. Später wurde ein Auto angeschafft. Auch Christa hatte einen Schulweg von etwa einer halben Stunde, fußläufig durch den Wald. Ich war als Kind oft dort, am Wochenende oder in den Ferien. Als ich älter wurde, ging ich dort nicht mehr gerne hin. Ich mochte Karl seine derben Späße nicht. Ich war Teenager, als ich dort einem wieder über Nacht blieb. Am Morgen kam er ins Zimmer und zog mir die Bettdecke weg. Was mir peinlich war, fand er lustig. Von da an vermied ich es, dort zu übernachten.
Onkel Karl rauchte wie ein Schlot, trank auch gern sein Bierchen. Ich erinnere mich an schreckliche Hustenanfälle. Dazu kamen der damals noch mangelnde Arbeitsschutz auf der Baustelle. So wurde er lungenkrank. Er starb 1969 an den Folgen dieser Krankheit. Da es keine Vorsorge gab, nichts geregelt war, musste meine Tante der Tochter aus erster Ehe das Erbe auszahlen, zumal das Haus und alles was dazu gehörte, auf den Namen des Mannes lief. Aber das war damals so üblich. Das war eine schwierige Zeit.
Christa Reimelt

Christa im Jahr 1985
Christa Reimelt (*06. 01. 1949 - ?) ist/war meine Cousine, die Tochter von Tante Lieschen und Onkel Karl. In Kinderjahren war sie meine einzige Spielgefährtin, das einzige weitere Kind in meiner Umgebung bis zur Schulzeit. Da wir ja in einem Haus lebten, und ihre Eltern beide berufstätig waren, war sie oft bei uns. Meine Großeltern waren ja auch die ihren. Das führte oft zu Streitigkeiten und Eifersüchteleien. Im Gegensatz zu ihr, war ich bei unseren Großeltern zu Hause, während sie "nur zu Besuch" war. Über mich hatten die Großeltern das Sagen, Christa hatte Eltern, die bestimmten wo es lang geht. So hatte ich natürlich Priorität in meinem Zuhause. Auf der anderen Seite war ich aber auch die Ältere, es wurde stets Verständnis von mir erwartet, wenn "die Kleine" Blödsinn machte. Verständnis für Andere, diese Erwartungshaltung sollte mich ein ganzes Leben begleiten.
Einmal gab es eine Situation, in der ich auf meine Cousine neidisch war. Christa durfte in den Kindergarten gehen. Für mich hielten das die Erwachsen nicht für nötig, denn Oma war ja den ganzen Tag zu Hause. Einmal durfte ich dann mit in den Kindergarten, es wurde ein Sommerfest veranstaltet. Es war toll, viele Kinder, die Spaß zusammen hatten und ich saß zu Hause. Aber alles Bitten, dort auch hin zu dürfen, half nichts.

Christa (li) und ich im Sommer 1952 im Wilmersdorfer Preußenpark.
Doch trotz aller Streitereien war Christa meine einzige Spielgefährtin, daher fehlte sie mir doch sehr, als sie mit ihren Eltern vom Wilmersdorf nach Gatow zog. Sicher war ich hin und wieder dort, oft in den Schulferien. Aber Christa hatte dort in der Siedlung, wo viele Familien wohnten, sehr schnell Anschluss zu Kindern aus der Nachbarschaft und schloss Freundschaften. So war ich, wenn ich dort zu Besuch war, eine Fremde, eine Aussenseiterin. Das fühlte sich für mich jedenfalls so an.
Christa absolvierte in Gatow ihre Grundschulzeit und besuchte danach die Oberschule in Spandau. Nach einem weiteren Jahr auf einer Haushaltsschule machte sie eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten. Sie fand einen Arbeitsplatz bei er Deutschen Rentenversicherung (damals BFA) und blieb dort bis zur Rente. Privat war sie als Jugendliche im Ruderverein, dort konnte sie mit dem Fahrrad hin. Abends auszugehen, war aufgrund des abgelegenen Wohnortes schwierig. Sie brauchte immer ihren Vater, der sie mit dem Auto irgendwo abholte. Wenn wir sie überreden konnten, einmal mit uns etwas zu unternehmen, schlief sie bei uns und wir brachten sie am anderen Tag nach Hause. Sonst kümmerte sich Christa mit um Haus und Garten und ging ihrer kränkelnden Mutter zur Hand. Als Christa 20 Jahre alt war, verstarb ihr Vater, und die Mutter lag schwer verletzt im Krankenhaus. Sie machte nun auf dem schnellstmöglichen Weg den Führerschein, um beweglich zu sein. Wir versuchten zwar zu helfen, aber viel konnten wir nicht tun. Als die Mutter aus dem Karankenhaus kam, brauchte sie viel Hilfe. Christa stand nun fast allein mit den ganzen Problemen da. Dazu kamen die Erbstreitigkeiten mit der Tochter aus Karls erster Ehe. Besucher, die kamen, wurden sofort eingespannt, für irgendwelche Hilfeleistungen in Haus und Garten.
Meine Tante erholte sich von dem Unfall nur langsam. Da sie ohnehin ein labiles Menschenkind war, klammerte sie sich an ihre Tochter. Wir versuchten Christa weiter einmal abzulenken und sie mal zu einer Unternehmung zu überreden. Wenn das mal klappte und wir sie am anderen Tag nach Hause brachten, bekam sie sofort ein schlechtes Gewissen, weil die Mama ja gerade gerstern Abend wieder starke Rückenschmerzen hatte, und keiner da war, der sie einreiben konnte. So wurstelten die beiden Frauen in ihrem Domizil in Gatow vor sich hin. Christas einziges Hobby wurde ihr Auto, das alle zwei Jahre erneuert wurde. Sie fuhr stets eine Opel. Als es Tante Lieschen wieder besser ging, fing sie an, alle möglichen fernen Familienangehörigen ausfindig zu machen. So waren die beiden Frauen in dieser Richtung oft unterwegs. Christas und mein Lebensweg drifteten völlig in unterschiedliche Richtungen. So lange meine Oma noch lebte und die letzten Jahre in Gatow verbrachte, hatten wir dadurch noch Kontakt, der nach deren Tod ganz einschlief. Während ich meine Familie hatte, beruflich engagiert war und privat gerne reiste und auch kulturell viel unternahm, beschränkte sich Christas Umfeld neben ihrem Beruf auf ihre Mutter und später ihre Tanten. Eine*n festen Partner/in habe ich bei ihr nie erlebt, jedenfalls ist mir davon nichts bekannt. Ende 1999 informierte sie mich über den Tod meiner Mutter. Zu dieser Zeit hatten wir noch einmal kurzfristig Kontakt- Sie war testamentarisch als Haupterbin eingestzt, zahlte mir aber anstandslos meinen Pflichtteil aus. Nachdem die Formalien erledigt waren, schlief der Kontakt wieder ein. Schade, ich hätte es mir anders gewüscht. Ich habe später noch versucht, eine Verbindung aufzunehmen, aber alles was ich noch erfahren habe, war, dass sie das Haus verkauft hat. Damit verliert sich jede Spur.
Tante Erna (die Mondäne)

Erna Reimelt im August 1962
Erna Reimelt geb. Golmert (14.10.1915 - etwa 2015) War die dritte und jüngste Tocher meiner Großeltern. Nach der Schule erlernte sie den Beruf der Schneiderin. Wann sie die Meisterprüfung ablegte, ist mir nicht bekannt. Sie führte einen eigenen Zwischenmeisterbetrieb. Das bedeutete, dass sie für große Konfektionsfirmen nähte. Sie bekam von diesen Firmen Aufträge, dazu das nötige Zubehör und lieferte die fertigen Kleider dann bei der Konfektionsfirma wieder ab. Nebenher nähte sie aber auch für private Kundinnen. Ihr Betrieb befand sich zunächst in der Wohnung im Hohenzollerndann 33a, in der auch ich mit meinen Großeltern wohnte. Tante Erna beschäftigte zwei Gesellinnen und zwei- drei Lehrlinge. Auch ich lernte dort die ersten Handhabungen mit Nadel und Faden und den Umgang mit einer Nähmaschine, damals noch manuell betrieben.
Tante Erna war mit Erwin Reimelt, einem Bruder von Onkel Karl, liiert. Irgendwann Mitte der Fünfziger Jahre heirateten die beiden. Erwin lebte mit seinem Sohn Erik in der Wohnung über uns. Erik war Fernfahrer und selten zu Hause. Es war immer ein Erlebnis, wenn er mit seinem großen LKW einmal bei uns vor der Tür vorfuhr. Ich hing dann am Fenser und bestaunte dieses riesige Auto. Erwin war Auslieferungsfahrer bei der Firma "ETAM", eine Frirma, die Miederwaren vertrieb.

Tante Erna in den 50ger Jahren während einer Urlaubsreise. Erwin besaß zu dieser Zeit schon ein eigenes Auto.
Nach der Hochzeit verlegte Tante Erna ihren Betrieb in die nun gemeinsame Wohnung ihes Mannes. Erwin war ein noch größeres Ekel als sein Bruder. Er untersagte meiner Tante Kontakte zu ihrer Familie, insbesondere zu mir, ich war für ihn ein Bastard. Gerade einmal kurze Besuche bei den Eltern zu Geburtstagen wurden gestattet. Als wir nach Britz gezogen waren, fuhr er sie dann zu den Eltern und wartete unten im Auto. Eine halbe Stunde hatte Erna dann Zeit, ihre Eltern zu besuchen. Einen eigenen Führerschein hatte sie nicht.
Tante Erna trat immer auf, als wäre sie gerade einem Modejournal entstiegen. Sie achtete sehr auf Äusserlichkeiten, zeigte auch gerne, was sie hatte. Da es keine Kinder gab. und beie Ehepartner ein gutes Einkommen hatten, waren sie für die damalige Zeit wohlhabend. "Neureich" nannte man das. Wir hatten wenig miteinander zu tun. Solange Erwin lebte war auch der Kontakt zu den Schwestern eher spärlich. Ich sah sie nur anlässlich von Familienfeiern. Meist hatte sie an meinem Äusseren irgenetwas zu bemängeln. Einmal passten die Farben nicht zueinander, ein anderes Mal war der Rock zu kurz u,s.w.
Ende der 80ger Jahre starb Erwin. Ich erfuhr das nur nebenbei, es interessierte mich auch nicht. Danach näherten sich die drei Schwestern wieder etwas mehr an.
Das letzte Mal habe ich Tante Erna zur Beerdigung meiner Mutter im Dezember 1999 gesehen. Mehr durch Zufall erfuhr ich, dass sie die letzten Jahre ihres Lebens im Jaohnnisstift in Spandau verbracht hat und dort noch ihren 100sten Geburtstag feieren konnte.
Tante Mary

Marie Duda im Oktober 1966
Marie Duda (Geburts- und Sterbedatum unbekannt), war eine Schwester meines Großvaters und lebte in Berlin Wilmersdorf, Hohenzollerndamm 33a, in der Wohnung unter uns. Sie war Kriegerwitwe und eine recht elegante und selbstbewusste Frau. Sie wollte "Mary" genannt werden, das hörte sich vornehmer an, als Marie. Tanta Mary hatte eine Tochter, die aber nicht mehr bei der Mutter lebte. Wenn sie zu Besuch kam, brachte sie immer ihren Hund mit, ein ständig kläffender Spitz. So wussten immer alle Nachbarn, wenn die Tochter da war.
Tante Mary ihr Mann war im Krieg gefallen. Vorher war er im Zoologischen Garten Berlin beschäftigt. Dadurch hatte sie als Witwe eine Dauerfreikarte für den ZOO und kam auch oft an weitere Freikarten, die uns zu Gute kamen. Wir hatten keinen engen Kontakt, aber wir gingen familieär, freundlich miteinander um. Tante Mary hatte unter meiner Cousine und mir manches Mal ganz schön zu leiden, wenn wir auf dem Flur über ihr tobten, ja dort sogar Rollschuh liefen.
Als wir vom Wilmersdorf nach Britz zogen, verlor sich der Kontakt weiter. Das letzte Mal habe ich Tante Mary gesehen, als sie zu meiner ersten Hochzeit zu Gast war. Daher stammt auch das Foto.
Tante Lotte und Familie

Tante Lotte, Joachim und ich im Steglitzer Volksparkt etwa 1950
Tante Lotte (keine Daten bekannt) war ebenfalls eine Schwester meines Großvaters. Ich erinnere mich, dass sie in Steglitz wohnte und wir dort öfter zu Besuch waren. Ich fand diese Besuche, die meist Sonntags zur Kaffeezeit erfolgten, langweilig. Es sei denn, der Enkelsohn von Tante Lotte war da. Joachim war ein wenig älter als ich. Er war der einzige Junge in meinem Umfeld, bis zur Schulzeit.
Heute würde ich es kindliche Verliebheit nennen, ich mochte Joachim, auch noch als Teenager. Wir hatten aber nur wenig Kontakt. Ich weiß heute noch nicht einmal mehr die Nachnamen. Zuletzt haben wir uns 1961 anlässlich meiner Konfirmation gesehen. Er war da schon in der Ausbildung zum Fernmeldetechniker bei der Deutschen Post. Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht. Tante Lotte ist etwa Anfang der 60ger Jahre freiwillig aus dem Leben geschieden. Ihre Tochter überbrachte meinen Großeltern die Nachricht. Danach gab es keinen Kontakt mehr zu der Familie.
Familie Westerkowsky

Familienfoto Weihnachten 1951 v. l. stehend: Onkel Waldi, Tante Mutzi, Onkel Fritz, Tante Erna, mein Opa, vorn sitzend: Tante Marie mit mir, meine Oma mit unserem Hund Struppi und Tante Lieschen mit Christa.
Marie Westerkowsky geb. Müller, auf dem Foto sitzend ganz links, mit mir auf dem Schoß, war eine Schwester meiner Oma. Sie war verwitwet und hatte zwei Kinder., Sohn Waldemar (Onkel Waldi) und Marie (Tante Mutzi). Beide auf dem Foto stehend ganz links. Der Herr neben Marie ist Fritz, ihr Ehemann. Die beiden waren kinderlos. Zu diesen Familienangehörigen gab es regelmäßigen Kontakt. Besonders Onkel Waldi war mir ans Herz gewachsen. Ich freute mich immer, wenn kam. Er war ein gutmütiger Mensch, spielte mit mir, machte mit mir Spaß und hielt auch mal für mich als Turngerüst her. Wenn es zuviel wurde, konnte er auch einmal energisch "Schluss" sagen, aber er war immer freundlich und hat immer gelacht. Ein eigenartiges Verhältnis gab es zwischen Mutter und Sohn. Waldi lebte mit seiner Mutter zusammen. Von Beruf war er Feinmechaniker. Wenn es irgend ging, brachte sie ihn zur Arbeit und holte ihn wieder ab. Eine Frau an seiner Seite habe ich nie erlebt. Die Mama verstand es, jedes weibliche Wesen, das an der Seite vom Sohn auftauchte, zu verprellen.
Es waren aber immer schöne Familienzusammenkünfte, so wie hier an Weihnachten. Daten habe ich von diesen Personen nicht. Ich weiß auch nicht, was aus ihnen geworden ist.
Familie in Bremerhaven

Tanta Anna, mit Tochter Hilde und Enkeltochter Rita im Jahr 1958

Gerd und Waltraud Skolmovski etwa 1965 anlässlich einer Familienfeier in Bremerhaven
In Bremerhaven lebte eine weitere Schwester meiner Oma, Anna Skolmowski, mit ihrer Tochter Hilde, Schwiegersohn Hans Sauvan und Enkeltochter Rita. Sie hatte noch einen Sohn, Gerd Skolmowski, der aber nach Amerika ausgewandert war. Er war dort mit einer Amerikanerin verheiratet und hatte ein Kind. Gerd war Direktor am Deutschlandfunk in Chicago.
Meine Oma hatte mit der Familie in Bremerhaven nur Briefkontakt. Tante Hilde ihr Mann, Hans, war Seemann und selten zu Hause. Ich war im Jahr 1965 zur Verlobungsfeier von Rita eingeladen. Da lebte aber Tante Anna schon nicht mehr. Ich fuhr mit meinem damaligen Verlobten dorthin. An diesen Besuch habe ich gemischte Erinnerungen. Auf der einen Seite das einfache Leben der Seemannsfamilie, Hans war auch gerade zu Hause, und auf der anderen Seite Gerd mit seiner Frau, die ich damals als hochnäsige Amerikaner erlebte. Ein Ausspruch von ihm ist mir im Gedächtnis geblieben, als Mittagessen zubereitet wurde: "Kartoffel gehören in den Keller und nicht auf den Teller!"
Ich empfand das als anmaßend, zumal Tante Hilde schon genug Arbeit mit dem ganzen Besuch hatte. Die feine Amerikanerin half auch nicht, erwähnte nur, dass sie in Amerika eine Haushaltshilfe hätte. Ich selbst war zu jung und zu fremd um wirklich helfen zu können. Wir waren auch viel mit Rita unterwegs, die uns ihre Heimatstadt zeigte. Die ganze Sache war uns schon unangenehm genug, die vielen Menschen in der Wohnung, morgends der Run auf das Bad. War waren später noch einmal dort, stiegen dann aber in einem Gasthof ab. Die Verbindung ist später eingeschlafen, irgendwie passte das nicht.
Familie in Frankfurt/Oder
Gisela Golmert mit ihren Eltern etwa 1960.

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, war mein Großvater gebürtig in Frankfurt/Oder. Dort lebte zu meiner Kinderzeit noch ein Bruder meines Opas mit seiner Familie. Ich kann mich an die beiden alten Leute nicht mehr erinnern, weiß aber, dass es da einen lockeren Kontakt gab. Meine Namensschwester, Gisela Golmert, also eine Nicht meines Großvaters, war mir schon besser bekannt. Sie war öfter in Berlin und auch bei uns zu Besuch. Von Beruf war sie Altenpflegerin und ihr Leben lang unverheiratet. Nach dem Mauerbau riss der Kontakt weitgehend ab. Der Briefkontakt war oberflächlich. Erst als die Besucherregelung für die DDR galt, fuhren wir dann einmal nach Frankfurt/Oder um Gisela zu besuchen. Klar nahmen wir ihr auch ein paar Dinge mit, von denen wir wussten, dass es die in der DDR kaum bis gar nicht gab. So war mir bekannt, dass sie gern Matjesfilets aß, die gab es aber dort nicht. Also bekam sie welche. Noch ein paar Kleinigkeiten, wie Puddingpulver und Strumpfhosen, viel ging ja nicht. Alles war regelmentiert. Von der Wohnung waren wir entsetzt, eine dunkle Behausung, zwei kleine Zimmerchen, die Toilette ein Verschlag. Als Deko fanden sich auf Regalen leere Coladosen und Alditüten wurden gehegt und gepflegt.
Wir wiederholten den Besuch noch einmal. Gisela hatte nun eine neue Wohnung bekommen. Nicht größer, aber heller und mit ordentlichen sanitären Anlagen. Wir lernten auch ein wenig von der Stadt kennen. Bei einem Besuch lud uns Gisela in ein Restaurant zum Essen ein. Das Angebot war sehr eingeschänkt, es musste auch alles vorbestellt werden. Wir waren immer froh, wenn wir die Grenze passiert hatten und wir wieder zu Hause waren. Als Gisela dann Rentnerin war, kam sie einmal zu uns. Wir holten sie am Bahnhof Friedrichstraße ab. Bei einem ersten Einkaufsbummel, ein für uns normaler Supermarkt, fielen ihr fast die Augen aus dem Kopf. Sie bestaunte das reichhaltige Angebot. Ich habe ihr klar gemacht, das wir zwar fast alles bekommen, was aber nicht bedeutete, das wir uns das auch alles leisten können. Danach kamen von ihr Forderungen. Ich brauche dies, ich möchte das. Nagellack von einer Markenfirma, eine Hundeleine, bitte ausrollbar, Schokolade von der Firma X und vieles mehr. Ich konnte mir damals keinen Markenlack leisten, und ihr sollte ich den kaufen? Ne, irgendwo hört das auf. Als die Forderungen immer mehr wurden, sagte ich ihr, dass das nicht geht. Über diesen Zwist erledigte sich dieser Kontakt irgendwann. Was aus ihr geworden ist? Ich weiß es nicht.
Die Schwiegerfamilie
Ich lernte die Familie etwa im Jahr 1963 durch eine Freumdin kennen, mit der ich gemeinsam die Berufsschule für Damenschneider besuchte. Heidi wohnte ebenfalls mit ihren Eltern und Geschwistern in Britz-Süd, ein paar Häuser von uns entfernt. Ich war zunächst fasziniert von der Familie. War doch dort immer was los. Es stand ganz im Gegensatz zu meinem, eher langweiligen, Zuhause. Jeder Geburtstag wurde zu einer Großveranstaltung. Es wurde gefeiert, gelacht, getanzt und getrunken, der Alkohol floss. Das alles war für mich mich so neu und aufregend, dass ich mich gern dort aufhielt. Dort lernte ich auch meinen ersten Mann kennen. Aber die Ernüchterung ließ nicht lange auf sich warten. Hier erzähle ich von ein paar Menschen, die dazu gehörten.
Richard Max Helbig

Richard Max Helbig † 1975
Richard Max Helbig, war mein erster Schwiegervater. Er war kriegsversehrt, im zweiten Weltkrieg, wo er an der Front war, hatte man ihm sein Knie zerschossen, dadurch musste er mit einem steifes Bein leben. Bis zu seiner Rente war er als Arbeiter in einer Britzer Fabrik beschäftigt.
Zu Hause stand er unter der Fuchtel seiner Frau Erna, die fest das Zepter in der Hand hatte. Sie lebten in Britzer Fritz-Reuter-Allee in einer 1 1/2 Zimmer Wohnung. Als ich die Familie kennen lernte, lebte auch der Sohn dort noch.
Richard war ein gutmütiger Kauz, er rauchte viel, trank gerne sein Schnäpschen (vornehmlich "Koks", das war Rum mit einem Stück Zucker). Leidenschftlich gern aß er Schlagsahne.
Später wurde ihm nachgesagt, dass er sich an den Kindern der Familie vergriffen haben soll. Einer der Enkeltöchter, damals 10 Jahre alt) hatte das behauptet. Danach wurde sein Verhalten beobachtet und wir versuchten unsere Mädchen nicht mehr mit ihm allein zu lassen. Einmal habe ich eine Beobachtung gemacht, die Übergriffig aussah. Ich bin da sofort ringeschritten. Was da wirklich dran war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Als wir noch in der Familie beraten haben, wie wir uns in dieser unangenehmen Situation weiter verhalten sollten starb Richard im Jahr 1975.
Wegen besagter Angelegenheit hielt sich unsere Trauer in Grenzen. Er ist auf den evangelischen Emmaus-Kirchhof in Berlin-Neukölln bestattet worden.
Erna Frida Helbig geb. Stoller

Erna Helbig (1906 - 1976)
Erna war die Ehefrau von Richard Helbig. Sie war eine dominante Persönlichkeit, die die Familie fest im Griff hatte. Diese Verhaltensweise hatte sie wohl schon von ihrer Mutter übernommen, die ebenfalls als Famililenoberhaupt regierte. Also - wenn Erna pfiff, hatten alle anzutanzen!
Erna war Hausfrau. Sie bekam vier Kinder, von denen das erste noch im Babyalter starb. Es folgten, jeweils im Abstand von neun Jahren, Hannelore, Brigitte und Klaus-Dieter. Weiter ist mir in der Familie noch ein Bruder von Erna bekannt, Willy, der ebenfalls mit seiner Familie in der Britzer Fritz-Reuter-Allee lebte, ein paar Häuser entfernt von seiner Schwester.
Erna ist, wie auch ihr Mann Richard, im ehemaligen Rixdorf (heute Neukölln) geboren. Die Kriegsjahre waren, wie bei vielen anderen, schwer. Als ich da dann im Laufe der Zeit Einzelheiten erfahren haben, wurde mir bewusst, wie gut es meiner Familie und mir erging. Der Vater war als Soldat im Krieg, kam schwer verletzt wieder. Die Mutter musste mühselig die Familie über Wasser halten. Das schweißt wohl zusammen. Zur Aufbesserung der Haushaltskasse ging Erna in den frühen Morgenstunden Zeitung austragen. Da musste die ganze Familie mit.
Erna konnte sehr gut kochen und backen. Das Essen war deftig, ohne viel Schnickschnack, reichhaltig und lecker. Zu Festtagen bogen sich die Tische vor vielerlei Leckereien. Fette Braten, selbstgemachte Hefeklöße und am Nachmittag inhaltsreiche Kuchen und Torten. Man merkte da noch sehr Stark, das Nachholbedürfnis nach einer entbehrungsreichen Kriegszeit.
Im Grunde war sie eine herzensgute, ehrliche Frau. Nur widersprechen durfte man ihr nicht. Als Schwiegermutter war sie mir zu besitzergreifend. Das regte natürlich den Widerspruch von mir und anderen Schwiegerkindern. Das fürhrte nicht selten zu Streitigkeiten.
Erna war herzkrank. Nach dem Tod ihres Mannes lebte sie allein in ihrer Wohnung, unterstützt von der Familie. Das engste Verhältnis hatte sie zu ihrer ältesten Tochter Hannelore. Der Tod von Richard hatte sie sehr mitgenommen, sie überlebte ihn nur ein gutes Jahr. Sie starb am ersten Weihnachtsfeiertag 1976 in einem Tempelhofer Krankenhaus und fand ebenfalls auf dem evangelischen Emmaus - Kirchhof ihre letzte Ruhestätte.
Ein langes Eheleben

Erna und Richard Helbig im Jahr 1956 in Britz
Erna und Richard waren viele Jahrzehnte verheiratet. Wie viele Jahre es genau waren, weiß ich nicht. Zwei Weltkriege hatten sie überlebt. Richard zwar schwer verletzt, aber er lebte. Erna wurde schon sehr früh das erst Mal schwanger. Mit 21 Jahren bekam sie schon das zweite Kind. Die Familie lebte zunächst in der Neuköllner Kannerstraße, in einer kleinen Wohnung. Später zogen sie in die Britzer Fritz-Reuter-Allee. Nebenbei gab es noch eine Gartenlaube. Das Leben war einfach und spielte sich überwiegend im Kreis der Familie ab. Viel Unterstützung fand ihre älteste Tochter Hannelore, die mit Mann und 5 Kindern ebenfalls in Britz wohnte. Als das letzt Kind, der einzige Sohn, das Elternhaus verließ war Erna schon 60 Jahre alt.
Rechts: Erna und Richard im Oktober 1966 anlässlich meiner ersten Hochzeit. Dahinter die Enkelkinder Heidi und Horst

Hannelore Stehr geb. Helbig verw. Streichhardt

Hannelore Stehr am 08. Mai 1992 anlässlich ihrer zweiten Hochzeit
Hannelore Stehr (08. Oktober 1927 - 17.April 2009), war das zweite Kind von Erna und Richard Helbig, nachdem das erste Kind das Babyalter nicht überlebt hat. Als älteste Tochter hatte sie ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Mutter.
Sie wiurde in Neukölln, im ehemaligen Rixdorf, geboren. Über ihre Kinder- und Jugenszeit weiß ich nicht viel. Noch in der Weimarer Republik geboren, war sie Kind, als der Zweite Weltkrieg in Berlin wütete. Mit 18 Jahren wurde sie von den Russen verschleppt und musste dort eine grausame Zeit erleben, wie sie ein einziges Mal erzählte. Sie wurde überwältigt, als sie für die Mutter Besorgungen machen sollte. Sie erzählte von Misshandlungen und Verwaltigungen, auch an viel jüngeren Kindern, die sie mit ansehen musste. Es muss ein traumatisches Erlebnis gewesen sein. Krank kam sie von dort zurück, aber sie hat es überlebt.
Mit 20 Jahren wurde sie erstmals Mutter und heiratete den Vater ihres Kindes, Günter Streichhardt. Diesem Kind folgten noch vier weitere, darunter einmal Zwillinge. Alle Kinder kamen im häuslichen Umfeld zur Welt, mit der Unterstützung einer Hebamme. Die Familie lebte zunächst in der Neuköllner Kannerstraße, in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Mitte der 50ger Jahre zogen sie nach Britz, in den Wesenberger Ring, in eine größere Wohnung.
Neben ihrer Beschäftigung als Hausfrau und Mutter ging sie in den frühen Morgenstunden noch Zeitung austragen, um die Haushaltskasse aufzubessern. Das kannte sie ja schon von ihrem Elternhaus.
1966 wurde Hannelore zu meiner Schwägerin, als ich ihren jüngeren Bruder, Klaus-Dieter geheiratet habe. 1985 wurde sie dann meine Schwiegermutter.
Am 10. September 1975 wurde Hannelore Witwe, als ihr Mann Günter an den Folgen eines Verkehrsunfalls starb. Sie war erst 48 Jahre alt. Das war ein schwerer Schlag. Sie stand nun allein da, das jüngste Kind war noch schulpflichtig. Mit Hilfe der Familie wurde das irgedwie bewältigt. Hannelore arbeitet auf einem Sportplatz ales Reinigungskraft. So hatte sie neben ihrer Hinterbliebenrente noch einen Zuverdienst und vor allem Abwechselung. Ein paar Jahre war sie auch mit in unserem Karnevalsverein aktiv. Sonst war sie in der Familie integriert, speziell bei ihrer ältesten Tochter Heidi, die mit ihrer Familie auch in Britz wohnte. Man unternahm viel zusammen, angefangen vom Alltag bis hin zu Urlaubsreisen

Hannelore & Günter Streichhardt bei ihrer Hochzeit am 25. März 1948

Urlaub in Österreich 1991. Hannelore auf den Fotos ganz links im Bild mit ihrer ältesten Tochter Heidi, mit ihrem Mann Georg und dessen Schwester, Inge Bernau

Irgendwann lernte sie dann den netten Hans Stehr kennen. den sie am 08. Mai 1992 geheiratet hat. Im stolzen Alter von 64 Jahren hat sie noch einmal "Ja" gesagt. Zu diesem Zeitpunkt war Hannelore schon meine Schwiegermutter, denn ich hatte mich von ihrem Bruder getrennt und ihren ältesten Sohn, Horst, geheiratet. Für Aussenstehende waren das verwirrte Familienverhältnisse.
Gemeinsam hatten wir auch viele, schöne Erlebnisse. Unvergessen ist der Jahreswechsel 1992/93 in Wien oder unser gemeinsamer Griechenlandurlaub.
Wir freuten uns über das späte Glück dieser beiden Menschen, die uns so nahe standen. Ein paar Jahre durften sie es genießen, bis Hannelore auch diesen Mann wieder hergeben musste. Nun war sie wieder allein, jedenfalls ohne Partner. Ihr Halt war immer wieder die Familie, auch wenn wir zu dieser Zeit nicht viel Kontakt hatten. Ein enges Verhältnis bestand zu den beiden Töchtern. Ihren Sohn Detlef musste sie zu Grabe tragen und auch Schwiegersohn Georg hatte diese Welt verlassen. Wann und wie sie ihre letzten Lebensgefährten, Sepp, kennenlernte, ist mir nicht bekannt. Irgendwann stellte sie ihn uns vor. Wir mochten diesen Mann alle nicht, aber wenn er ihr gut tat, sollte das so sein. Die zwei machten noch einige schöne Reisen zusammen und erlebten gemeinsame Freizeit.


Hannelore mit ihrem letzten Lebensgefährten, Sepp, in ihrem Stammlokal, dem "Bierseidel" in Britz im Jahr 2004
Das ging so lange gut, bis die zwei einen Autounfall hatten. Danach musste Hannelore für längere Zeit im Krankenhaus bleiben. Davon erholte sie sich nicht mehr richtig. Uns war vorher schon aufgefallen, dass sie geistig nicht mehr ganz da war, aber nun wurde sie dement und zum Pflegefall. Nachden Sepp sie dann noch im Stich gelassen hatte, blieb nur noch die Heimunterbringung.
Dort, im Seniorenheim "Rixdorf" konnte sie noch ihren 81sten Geburtstag feiern. Wir trafen uns in der Cafeteria des Hauses zu einer gemütlichen Kaffeestunde.
Am Freitag, den 17. April 2009 ist Hannelore für immer eingeschlafen. Schon lange vorher hat sie in einer anderen Welt gelebt. Ein gnädiger Tod hat sie von ihren Leiden erlöst. Ich werde ihr ein ehrendes Andenken bewahren.
Günter Streichhardt

Günter Streichhardt (1928 - 1975) war der Ehemann von Hannelore und Vater der fünf Kinder. Sein älterer Bruder ist im Krieg gefallen. Von seiner Kindheit und Jugend ist mir nichts bekannt. Am 25. März 1948 heiratete er seine Frau, Hannelore geb. Helbig. Günter hat zunächst auf dem Bau gearbeitet und war später Platzwart auf einem Sportplatz in Neukölln.
1966 wurde er mein Schwager. Das er einmal mein Schwiegervater werden sollte, hat er leider nicht mehr erlebt. Auch wenn Günter ein Alkoholproblem hatte, ich mochte ihn. Manches Mal konnte ich sogar verstehen, dass er seine freie Zeit lieber in der Kneipe verbrachte. Zu Hause war meist Trubel. Mit Frau und Kindern alleine Zeit verbringen, ging kaum, und die lauten Familienfeiern waren auch nicht sein Ding.
Ich schätze ihn als als freundlichen, loyalen Menschen, der auch bei Streitigkeiten neutral blieb.
Seine Silberhochzeit am 25. März 1973 konnte er noch erleben. Zwei Jahre später verstarb er an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Er fand auf dem Parkfriedhof Britz seine letzte Ruhe.

Otto Streichhardt

Otto Streichhardt 1973
Geburts- und Sterbedaten sind mir nicht mehr bekannt. Otto Streichhardt war der Vater von Günter. Ich lernte ihn als dominanten Menschen kenne, aber das war der Zeit geschuldet. In seiner Generation galten andere Regeln, als das heute der Fall ist. Otto war überzeugter SED-Mann, der auch in der ehemaligen DDR seinem Beruf nachging, solange das möglich war. Was mich beeindruckt hat? Er stand zu seiner Einstellung , redete keinem nach dem Mund, versuchte aber auch nicht, andere zu überzeugen.
Viel weiß ich über diesen Mann sonst nicht. In Erinnerung geblieben ist mir, dass er auf jeder Feier eine Rede gehalten hat. Das aber meist schon nach einigen Bierchen. Da war er schwer zu bremsen.
Otto lebte mit seiner Frau Gertrud zunächst in der Neuköllner Sonnenallee. In einer kleinen Wohnung im Hinterhaus, ganz unter dem Dach. Später zogen sie in auch in den Wesenberger Ring, in die Nähe von Sohn und Schwiegertochter. Dort lebte er bis zu seinem Tod.
Gertrud Streichhardt geb. Sonnen

Gertrud Streichhardt 1973
Gertrud war die Ehefrau von Otto Streichhardt und die Mutter von Günter. Das Geburtsdatum ist mir nicht bekannt, nur das sie am 24. Dezember, dem Heiligen Abend, Geburtsag hatte, ist mir in der Erinnerung geblieben. Ihr Ehrentag ging meist im Weihnachtstrubel unter. Auf jeden Fall war da immer die ganze Familie beieinander.
Gertrud arbeitete als Köchin bei der Reichsbahn.
Für uns alle war sie "Oma Trude". Sie war eine einfache Frau, die mit ihrem Mann nach der damals gültigen Norm lebte. Sie hat zwei Söhne zur Welt gebracht, von denen der ältere im Krieg geblieben ist. Auch ihren jüngeren Sohn Günter überlebte sie um fast 20 Jahre. Als dann noch ihr Schwiegerenkel, Georg, vor ihr diese Welt verließ, war das ein harter Schlag für die alte Frau. Leicht hatte sie es im Leben nicht.
Nachdem ihr Mann Otto verstorben war, lebte sie zunächst allein in ihrer Wohnung. Sie tat sich schwer, mit all den Neuerungen, die die Zeit mit sich brachte. Zum Glück gab es die Schwiegertochter und Enkel, die sich kümmerten. Ihre letzte Lebenzeit verbrachte sie in dem Seniorenheim "Kurt-Exner-Haus" in der Rudower Wutzkyallee, bis sie am 19. Okktober 1994 die Augen für immer schloss. Von einem Sturz, bei dem sie sich einen Oberschenkelhalsbruch zuzog, erholte sie sich nicht mehr.
Heiderose (Heidi)

Heidi im Jahr 2011
Heidi ist das erste Kind von Hannelore und Günter Streichhardt, die älteste von fünf Geschwistern. Sie wurde am 12. Febraur 1948 in der Neuköllner Kannerstraße geboren.
Ich lernte Heidi etwa 1964 in Berlin - Britz kennen, als wir die gleiche Berufsschule für Damenschneiderei besuchten. Sie ist zwei Jahre jünger als ich, und so hatte ich schon zwei Ausbildungsjahre hinter mir, als sie mit der Lehre begann. Ich erinnere mich an ein junges Mädchen, mit dunkelen Locken auf dem Kopf, die kaum zu bändigen waren. Gemeinsam besuchten wir 19604/65 die Tanzschule. Die ersten Ballkleider waren selbst genäht.

Etwa zu dieser Zeit lernte Heidi ihrem späteren Mann Georg kennen. Georg, oder Schorsch, wie er im Allgemeinen genannt wurde, war 10 Jahre älter als Heidi und verstand sich auch auf das Schneiderhandwerk. Die Eltern waren zunächst nicht begeister, Sehr schnell wurde Heidi schwanger und bald folgte die Hochzeit.

Das Brautpaar mit den Brauteltern und Georgs Vater 1965
Da Georg jüdischen Glaubens war, gab es nur eine standesamtliche Trauung. Zur Feier wurde aber der große Brautstaat präsentiert.
Am 02. März 1966 kam dann das erste Kind der beiden zur Welt. Heidi war gerade 18 Jahre alt. In der elterlichen Wohnung in der Britzer Jahnstraße erblickte die kleine Diane das Licht der Welt. Es folgten im Mai 1967 Sohn Carsten und etwas später noch ein Mädchen, Tamara. Damit war die Familie komplett. Georg ging seinem Beruf nach. Es folgten mehrere Wohnungswechsel, die beruflich bedingt waren. Heidi hatte mit ihren drei Kindern genug zu tun.
Unterstützung fand Heidi stets bei ihrer Mutter. Auch Oma Erna war immer zur Stelle, wenn Hilfe gebraucht wurde. Die Freizeit wurde meist im Familienkreis verbracht. Anlässe zum Feiern gab es reichlich. Reisen und Ausflüge wurden ebenfalls im Familienkreis verbracht.
Als die Kinder größer waren, arbeitete Heidi in Teilzeit als Reinigungskraft in einem Jugendfreizeitheim. Sie hatte nun auch den Führerschein gemacht. Das nun beide Auto fahren konnten, erwies besonders bei Urlaubsreisen von Nutzen
Heidi und ihr Mann Georg waren eng verbunden, da passte kein Blatt Papier zwischen. Umso schlimmer traf es die Zwei, als Georg Anfang der 90ger Jahre an Lungenkrebs erkrankte und daran verstarb. Nun war Heidi Witwe. Wie sie das verkraftet hat, ist mir nicht bekannt, da wir zu dieser Zeit keinen Kontakt hatten. Alle Informationen erhielten wir nur über andere Familienmitglieder. Es sollte eine Zeit vergehen, bis wir uns wieder annäherten. Ebenso sollten Jahre ins Land gehen, bis Heidi wieder einen neuen Mann in ihr Leben ließ. Werner lernte sie über ihren Cousin Bernhard kennen. Mit ihm zusammen hat sie noch viel von der Welt gesehen. Die Zwei leben heute in Franken, in der Nähe von Nürnberg.
Heidi war zunächst meine Freundin, wurde dann meine angeheiratete Nichte und 1985 meine Schwägerin.