Ich bin....

...ja, wer oder was bin ich? Ich versuche einmal, mich selbst zu charakteresieren, möglichst ohne Schnörkel. Das hilft vielleicht ein wenig, die folgenden Seiten besser zu vestehen. Ehrlichkeit zu mir selbst war schon immer ein oberstes Gebot. Ich bin ein Kopfmensch. Das ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass ich zu keinen Emotionen fähig bin, nur bei allen Gefühlen, mein Kopf schaltet nie aus. Ich habe das immer an einem Beispiel festgemacht. Wenn ich gehört oder gelesen haben, dass andere gesagt haben: "Diesen Menschen liebe ich so sehr, mit dem/der gehe ich bis ans Ende der Welt"! Meine Reaktion darauf: "Bevor ich nicht weiß, was mich am Ende der Welt erwartet, gehe ich nirgendwo hin"! Dieses Beispiel erklärt mich eingentlich schon. Ich brauche lange, bis ich zu anderen Menschen Vertrauen aufbauen kann.  Das ist kein grundsätzliches Mistrauen, aber doch Allem und Jedem gegenüber ein gewisses Mass an Vorsicht. Der erste Eindruck kann ganz schön trügen. Viele Menschen erzählen viel! Ich gehöre zu denen, die entweder die Wahrheit sagen, oder wenn ich das nicht möchte, schweige. Ich denke über alles Erzählte nach, über logische Zusammenhänge ebenso, wie stets ein Weiterdenken einsetzt. Doch bin ich mir bewusst, dass man jeden Menschen nur vor den Kopf gucken kann. Doch kann ich recht schnell erkennen, ob das Gesagte der Wahrheit entsprechen könnte.

Ich bin sehr wissbegierig und auch neugierig. Was passiert in meinem nächsten Umfeld, was geschieht in der Welt. Wie leben andere Menschen. Ich muss nicht alles richtig finden, aber ich akzeptiere, dass jeder eine andere Wahrheit hat, und ich will verstehen. Warum handeln Menschen, wie sie handeln? 

In vielen Seminaren habe ich sehr viel gelernt. So auch in Kommunikationskursen. Ich will immer gerne helfen, wenn mir andere von ihren Problemen erzählen. Ich möchte ihnen gern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ich habe aber gelernt, dass das selten funktioniert. Viele wollen sich nur mal etwas von er Seele reden, sie wollen weder eine andere Meinung und noch weniger Ratschläge hören. Das war oft sehr enttäuschend, nun versuche ich mich zurückzunehmen. 

Ich bewege mich mehr auf der Sachebene, bevor ich die Gefühlsebene betrete, dauert das lange.  

05. September 1946

Berlin, knapp 1 1/2 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. Die Stadt lag noch in weiten Teilen in Schutt und Asche als ich im Elisabeth Krankenhaus im Bezirk Wilmersdorf das Licht der Welt erblickte.  Das war damals nicht so ganz einfach, denn ich wurde unehelich geboren. Auch wenn meine Mutter zu diesem Zeitpunkt bereits 33 Jahre alt war, hatte sie wenig Rechte und wollte diese wohl auch nicht. Aber zum Leben meiner Mutter an anderer Stelle mehr. Mein Vater war ein britischer Besatzungssoldat, der zu dieser Zeit längst nicht mehr in Berlin war. Ich durfte ihn nie kennenlernen. Er ist bis heute ein schwarzes Loch in meinem Leben. Ich war ein sogenanntes "Besatzungskind".

Mein Schutzengel kam in Form meiner Großeltern.  Da uneheliche Mütter kein Sorgerecht und schon gar keine Vormundschaft für ihr Kind bekamen war eine amtliche Vormundschaft erforderlich. Diese übernahm mein Großvater und Oma und Opa gaben mir ein Zuhause. Somit hatte ich schon damals großes Glück, denn viele andere Kinder in meiner Situation landeten in Heimen. Sehr viele Jahre später fragte ich meine Mutter einmal einmal, was denn aus mir geworden wäre, hätten Oma und Opa mich nicht aufgenommen. Ihre Antwort war kalt: "Dann wärst Du in ein Heim gekommen, ich musste ja arbeiten".  Ich fühlte mich in diesem Augenblick wie mit einem Eimer kaltem Wasser überschüttet. Mein Einwand, dass doch andere Mütter auch arbeiten mussten und ihre Kinder trotzdem zu Hause behalten haben, überging sie.    

  

 

 

 

 

Links eines der wenigen Fotos, das mich mit meiner Mutter zeigt, aufgenommen im Jahr 1947. Das rechte Foto zeigt mich im gleichen Jahr mit meinem Opa.

Unehelich geboren

Auch in dieser Epoche war es noch eine Herausforderung, als uneheliches Kind geboren zu sein. Meine Großeltern gaben mir zwar ein liebevolles Zuhause, ich wuchs behütet auf und merkte als kleines Kind davon zunächst nichts. Doch spätestens mit Beginn der Schulzeit bekam ich diesen "Makel" in ganzer Breitseite ab. Von den Lehrkräften wurde ich teilweise einfach ingnoriert und die Mitschüler hatten von zu Hause Verbot mit mir zu spielen. Wenn es in der Schule Probleme gab, kam ja "nur" meine Oma, und die wurde auch nicht wirklich ernst genommen. Ein angeheirateter Onkel bezeichnete mich als Bastard, mit dem er nichts zu tun haben wollte. Auch als Teenager musste ich noch erleben, dass Eltern ihren Kindern den Umgang mit mir untersagten, sobald bekannt wurde, dass ich keinen Vater hatte. Das legte sich erst im Laufe der späteren Jahre, als die Gesellschaft toleranter wurde.  Diese Erfahrungen haben mich gelehrt, keinem Menschen ablehnend gegenüber zu reten. Egal wo der Mensch herkommt, was er/sie für eine Haut- oder Haarfarbe hat. Meine Toleranz findet aber da Grenzen, wo Menschen anderen Schaden zufügen und kriminell werden, und das unabhängig von der Herkunft.  

Kind sein

 

 

Ich lebte also seit der Geburt bei Oma und Opa. Als Opas Süße und Omas Sonnenschein konnte  ich eine glückliche Kindheit verbringen. Was ich aus den ersten Jahren meines Lebens berichten kann, weiß ich natürlich nur aus den Erzählungen der Erwachsenen, von alten Fotos und alten, erhaltenen Urkunden. So kann ich mich auch nicht daran erinnern, wie meine Familie die Berliner Blockade 1948/49 überstanden hat. Geschichtsschreibungen nach zu urteilen muss das eine sehr schwere Zeit gewesen sein.  Oberbürgermeister in Berlin war zu dieser Zeit Ernst Reuter.  Alle Menschen sprachen hochachtungsvoll von diesem Mann, wenn ich das auch damals noch nicht verstanden habe. Eines habe ich aber noch in der Erinnerung, das Bild vor den Augen. Als Ernst Reuter im September 1953 starb, ging der Trauerzug über den Hohenhenzollerndamm an unserem Haus vorbei. Eine von Pferden gezogene Lafette brachte den Sarg mit den sterblichen Überresten zum Waldfriedhof in Zehlendorf, wo er seine letzte Ruhe gefunden hat. Alle Menschen hatten Kerzen in Fenster gestellt, aus Achtung vor einem Mann, der viel dazu beigetragen hat,  zumindest einem Teil Berlins zur Freiheit verholfen zu haben.  In der Erinnerung bleiben bis heute seine Worte: "Völker schaut auf diese Stadt...", in einer flammenden Rede während der Blockade.  

Das war ein gravierendes Erlebnis für mich als siebenjähriges Kind. Aber es gab noch viele andere Erlebnisse, die mein Kinderherz glücklich machten. Oma und Opa gingen oft mit mir in den Zoologischen Garten, im Sommer ging es nach Wannsee und im Winter ging Opa mit mir im nahegelegenen Preußenpark rodeln. Das jährliche Oktoberfest, das damals noch im Zoologischen Garten stattfand, gehörte ebenso zum Programm wie das dortige Pfingstfrühkonzert.  

Pfingstfrühkonzert im Zoologischen Garten Berlin im Mai 1952

und unten: Spaß am Wannsee mit Oma, Opa und meiner Mutter 

 

Die Schulzeit

Zu Ostern 1953 wurde ich in die 5. Grundschule in Berlin-Wilmersdorf eingeschult. Begleitet von Meinen Großeltern, meiner Mutter und meiner Cousine Christa trat ich diesen, für mich so wichtigen Weg an. Das Einschulungsprocedere unterschied sich nicht viel von den heutigen Programmen. Treffen in der Schulaula, die älteren Klassen begrüßten die "Neuen" mit musikalischen Darbietungen, der Schuldirektor hielt eine lehrreiche Rede und dann wurden die Klassen zusammengestellt. Mit der Klassenlehrerin ging un erstmals in den Klassenraum. Was anders war? Die Musik! Meine Klassenlehrerin war ein Fräulein Maria Winkler.  Wir waren etwa 40 Kinder in der Klasse.

                                      Schulausflug 1953 - unter dem roten Kreuz bin ich zu sehen,                                 daneben die Lehrerin, Frl. Winkler. 

Von den Problemen, die ich in der Schule hatte, habe ich ja weiter oben schon berichtet. Dazu kam, dass ich ständig neue Kleidchen anhatte. Dank meiner Tante, die als Schneiderin dafür sorgte, dass wir Kinder immer gut ausgestattet waren. Das erweckte Neid, denn das war zu der damaligen Zeit nicht selbstverständlich. Andere Kinder trugen teilweise geflickte Kleidung, oder die von älteren Geschwistern. Die Lehrkräfte waren streng, auch körperliche Übergriffe gab es noch. So hatte unsere Klassenlehrerin die Angewohnheit uns die Ohrläppchen langzuziehen, wenn ihr etwas nicht gefiehl, wenn eine Ungehorsamkeit geahndet werden musste. Mir riss sie dabei einmal das Ohrläppchen ein. Oder wir mussten in der Ecke stehen. Unsere Musiklehrerin, Fräulein Weidlich, strafte mit Schlägen auf die Hand, dazu benutzte sie ein Lineal. Wir mussten dann vor die Klasse treten, die Hände mit der Innenfläche nach oben ausstrecken, und dann schlug sie zu.     

Jeden Morgen wurde ich von meiner Oma in die Schule gebracht und wieder abgeholt. Ich hatte einen Fußweg von etwa 15 Minuten, die Schule (Heute: Katharina-Heinroth-Schule) lag in der Münsterischen Straße. Das wurde so praktiziert, etwa bis zum vierten Schuljahr. Auch noch später wurde ich kontrolliert. Die Hänseleien von den Mitschülern hatte ich auf meiner Seite.  Alles bitten zu Hause nütze nichts. Das änderte sich erst, als ich meine Freundin Evelyn kennenlernte. Evelyn kam in der 4. Klasse zu uns und wohnte mit ihrer Mutter in der Ruhrstraße, also gleich bei uns um die Ecke. Fortan legten wir den Schulweg gemeinsam zurück, und da ließ meine Oma die Leine etwas lockerer. 

Ein Klassenfoto aus dem Jahr 1957. Wo das rote Kreuz ist, bin ich neben meiner Freundin Evelyn.

Diese Schule besuchte ich bis einschließlich des 1. Halbjahres der sechsten Klasse. Dann musste ich wegen Wohnungswechsel auch umgeschult werden.

Hier noch eine Randbemerkung: Zu der damaligen Zeit wurden unverheiratete Damen mit "Fräulein" angesprochen, unabhängig vom Alter. Weibliche Lehrkräfte waren in Regel unverheiratet.

Das Foto zeigt unseren tollen Lehrer Harri Schaeffer im Jahr 1993. Da war er das letze Mal bei einem Klassentraffen dabei. Kurz danach kam die Nachricht von seinem Tod. 

Nach unserem Umzug von Berlin Wilmersdorf nach Britz verbrachte ich das zweite Halbjahr der sechsten Klasse in der Bruno-Taut-Schule. Mein Schulweg führte vom Wesenberger Ring durch eine Parkanlage über den Marktplatz und weiter über Sandberge zur Schule. Die ganze Gegend war noch im Aufbau. Sonst erinnere ich mich an dieses halbe Jahr nicht weiter, die Zeit war zu kurz um nachhaltig zu wirken. Nach Abschluss der sechsten Klasse, und damit auch der Grundschule, wurde ich in die 7. Oberschule Praktischen Zweiges versetzt. Das entsprach der heutigen Hauptschule. Meine Mutter wollte mich auf ein Internat schicken, weil sie meinte, Oma und Opa wären mit mir altersbedingt überfordert. Opa lehnte das als mein Vormund ab. Da das aber ohne seine Zustimmung nicht möglich war, kam das auch nicht zu stande. Ich wollte auch nicht weg, meine Bindung zu Oma und Opa war sehr eng, auch wenn ich zu dieser Zeit doch schon merkte, dass Generationsunterschied nicht problemlos war. Ich war nun mit zwölf Jahren Oberschülerin. Mit den neuen Mitschüler*innen fanden wir uns zu einem tollen Klassenverband zusammen. Klar gab es hier und da auch Rangeleien oder Eifersüchteleien, aber nie ernste Probleme. Unser wunderbarer Klassenlehrer, Harri Schaeffer, verstand uns meist bei Laune zu halten.  Wir lernten fleißg, hatten auch verschiede Fachlehrer und gingen auf Klassenfahrt z.B. in das Schullandheim Langeleben im Elm.

    

Unser Klassenverband in neunten Klasse der 7. OPZ 

Ein Gruppenfoto von unserer Klassenfahrt nach Langeleben

Ostern 1952 war dann Schluss mit der Schule. Mit unseren mehr oder weniger guten Abschlusszeugnissen wurden wir in das Leben entlasssen. Wenn es nach meiner Mutter und den Lehrern gegangen wäre, hätte ich noch die 10. Klasse an einer anderen Schule absolvieren sollen, um die Mittlere Reife zu erreichen, aber ich wollte nicht mehr. Meine Großeltern hatte ich auf meiner Seite, die der Meinung waren, Mädchen bräuchten keine so gehobene Ausbildung. (Der Genartionskonflikt) Ich habe das später bitter bereut.

Die Ausbildung

Das war so ein Thema, dass viele Fragen aufwarf. Den Generationskonflikt habe ich ja schon erwähnt. Meine Großeltern waren also der Meinung, etwas lernen ja, damit ich als Frau im Notfall mal auf eigenen Füßen stehen kann, aber das muss nun nicht so aufwendig sein. Ich selbst hatte zwei Vorstellungen. Zum einen schien mir der Beruf als Kinderkrankenschwester interressant. Was sagten meie lieben Großeltern dazu? "Du kannst später einmal deine eigenen Kinder versorgen!" Einen andere Möglichkeit schien mir ein Beruf im Hotel- und Gaststättengewerbe. Da ich aber keinen ausreichenden Schulabschluss hatte um auf höherer Ebene anzufangen, hätte ich ganz unten als Zimmermädchen loslegen müssen. Das stieß bei meinen Großeltern auch nicht auf Gegenliebe. "Du musst nicht den Dreck anderer Leute wegmachen, du kannst später deinen eigenen Haushalt führen, da hast du genug zu tun!" Damit hatten sich meine Wünsche erledigt. Nun stand mir zur Auswahl Verkäuferin, Friseurin oder Schneiderin zu lernen. Da ich ja in einer Schneiderei groß geworden bin, war dass das Nächstliegendeste.     

So begann ich nun eine Ausbildung eine am 02. Mai 1962 im Alter von 15 Jahren eine Ausbildung zur Schneiderin für Damenoberbekleidung. Den Ausbildungsbetrieb hatte ich mit Hilfe meiner Tante Erna gefunden. Es war ebenfalls ein Zwischenmeusterbetrieb in der Fechnerstraße im Berliner Bezirk Wilmersdorf. Meine Chefin, Hildegard Silberhorn, war das, was man früher als "Matrone" bezeichnet hätte. Ihr Mann war gebürtiger Bayer, optisch die Hälfte von ihr. Die Schneiderwerkstatt befand sich in deren Privatwohnung. Ich habe das noch gut vor den Augen. In der Mitte des Raumes stand ein großer Zuschneidetisch, um den herum sich mehrere Nähmaschinen gruppierten. An einer Wand stand ein Bügeltisch, in einere anderen Ecke, ein großer Garderobenständer, an dem die Kleider hingen, die noch zu bearbeiten waren. An der Frontseite des Zuschneidetisches thronte meine Chefin.  Außer mir gab es noch ein weiteres Lehrmädchen, Marianne, die mit mir zusammen angefangen hat, weiter arbeitete dort noch ein Lehrling, die aber bereits im dritten Ausbildungsjahr war. Zwei Gesellinnen vervollständigten die Mannschaft. Eine davon kam aber nur zwei Mal in der Woche.  Wir arbeiteten von Montag bis Samstag, 46 Stunden in der Woche. An einem Tag besuchte ich die Berufsschule. Von Montag bis Freitag mussten wir arbeiten, damit die Kollektion pünktlich fertig wurde, Samstags lernten wir, was zur Prüfung notwendig war. Darüber hinaus besuchte ich einmal in der Woche einen Kurs bei der Damenschneiderinnung in der Kreuzberger Stresemannstraße, wo ich weitere Details zur Prüfung erlernte. Vieles war mir bekannt, hatte ich doch in der Schneiderwerkstatt meiner Tante schon vieles gehört und gesehen.  

Mein Lehrlichgsentgelt belief sich auf 85,00 DM brutto im ersten Jahr und 105,00 DM Brutto im dritten Jahr. Dafür arbeitete ich 46 Stunen in der Woche, mit schon genannter Zeitaufteilung. Ich hatte von Britz bis nach Wilmersdorf einen Weg von etwa einer dreiviertel Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein Tag in der Woche war Berufsschultag, dazu musste ich nach Charlottenburg in die Bismarckstraße. Das Schulgebäude lag zwischen dem Ernst-Reuter-Platz und der Deutschen Oper. Dort bin ich gerne hingegangen, die Theorie viel mir leichter und machte mir mehr Freude, als die Praxis.